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Gedanken zur Oberkircher Demokratie (Gastartikel)

Als regelmässiger Leser im Oberkircher Freiheitsblog bin ich doch sehr erstaunt, wie nahe die Oberkircher Kommunalpolitik der ‚Berufspolitik‘ in Land und Bund ist. Blauäugig wie ich bei den zurückliegenden Kommunalwahlen war, habe ich Gemeinderäte ausgewählt, von denen ich meinte, sie entscheiden in meinem Sinne. Scheinbar weit gefehlt. Mehrheitsverhältniss und Fraktionszwang sind die wahren Entscheidungsträger. Die Zeiten eines Müller Meinrad sind leider vorbei. Ich möchte gar nicht wissen, wie viel Entscheidungen politisch gefällt werden, gänzlich am Allgemeinwohl vorbei.

Angeregt durch diese Gedanken hab ich mir nochmal die Ergebnisse der letzten Gemeinderatswahlen vorgeholt. Ohne die Ausgleichsmandate unseres antiquierten Wahlsystems sähe es mit der Sitzverteilung der Oppositionsfraktionen noch viel schlechter aus. Bei der derzeitigen Machtverhältnissen kann man eh nicht von Oppositions- sondern eher von einem Kontrollmechanissmus sprechen.

Weiter hab ich mir Gedanken über die Arbeit und die Finanzierung innerhalb der Fraktionen gemacht. Auch hier hat unsere Mehrheitsfraktion eine göttergleiche Stellung inne. Finanziert aus einem Schoss, auf dem jeder gerne sitzen würde, wird die Sitzflärche nochmals extrem vergrössert, indem man beschliesst, die Europawahlen zusammen mit den Kommunalwahlen abzuhalten. Ein Schelm, der annimmt, dass Teile des Millionenetats für den Euro-Wahlkampf auch in die innerparteilichen Kommunalwahlkampagnien fliesen. Wo bleiben da die Bürgerlisten, wie bei uns die Freien Wähler, ohne den Parteischoss als Rettungsring? Alles selbst finanziert? Nach meinen Recherchen müssten auch die Bürgerlisten, gemäss einem Gerichtsbeschluss, eine staatlich finanzielle Unterstützung erhalten, wie die grossen Parteien. Sowas findet nicht statt. Bei den Freien Wähler in Oberkirch wird laut Aussage alles durch Spenden und listeninternen Spenden (Vergütungen der Gemeinderäte) finanziert. Alle sind gleich, manche sind …. .

Meine Gedanken über die Frakionsarbeit der kleinen Frakionen fallen auch nicht rosiger aus. Da die ‚Kleinen‘ in der Regel auf die Ideen und Vorlagen der ‚Regierungpartei‘ reagieren müssen, kann ich mir nur vorstellen, unwissend wie ich bin, Vorlagen wälzen, selbst recherchieren, anfragen, nachfragen.
Ich möchte auch nicht wissen, wie lange man braucht um den Oberkircher Haushalt zu lesen und wie lange man braucht, um denselben zu verstehen. Für mich fast unvorstellbar so was auf so wenigen Schultern verteilt wie bei der SPD-Fraktion und der Freien Wähler-Frakion in der ‚Freizeit‘ zu bewältigen.

Für mich bleibt nur übrig, keine Personenwahl mehr, sondern die kleinen Listen unterstützen. Die Hoffnung auf Demokratie in Oberkirch nicht aufgeben. Und hoffen, dass noch mehr Bürger in Oberkirch durch diesen Block zum Nachdenken animiert werden.

EF (Eigentümlich Frei)


6 Antworten to “Gedanken zur Oberkircher Demokratie (Gastartikel)”


  1. 1 EF
    12. März 2009 um 22:33

    Hallo lisa,

    ich glaube ich hab wirklich Recht, mit der Bevorzugung der kleinen Listen.
    Gerade lese ich auf der hier verlinkten Website der Freien Wähler Fraktion die Stellungnahme zur Haushaltsverabschiedung.

    Ich zitiere daraus:
    „Man hat uns in diesem Jahr mehr als deutlich klar gemacht, dass die CDU-Fraktion die absolute Mehrheit in diesem Stadtrat hat und es die anderen Fraktionen eigentlich nicht braucht.“

    Das ist Demokratie. Ja, das Volk hat so gewählt.

    Noch ein Zitat:
    „Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.“
    Johann Wolfgang von Goethe

    Schönen Abend

    EF (Eigentümlich Frei)

  2. 2 lisa
    11. März 2009 um 13:29

    Lieber EF,

    Sie sollten nicht zu schwarz sehen. Auch in Oberkirch wird nicht alles so heiss gegessen, wie es gekocht wird (3€ ins Phrasenschwein). Sie haben Recht, dass hier Kommunalpolitik oft sehr stark von nicht-regionalen Themen bestimmt wird. Wenn der Vorzeigepolitiker der Stadt Landesminister ist lässt sich das auch kaum vermeiden.
    Ansonsten ist Oberkirch einfach nur ein gutes Beispiel dafür was die endlose Herrschaft einer Partei in einem demokratischen System anrichten kann. Ein Beispiel für viele andere Städte, Landkreise oder Bundesländer. Das hat nichts mit der CDU an sich zu tun sondern mit dem System.
    Überall wo Parteien lange Jahre an der Macht sind treten die gleichen Begleiterscheinungen auf.
    Solange es große Bevölkerungskreise gibt, die ihr Wahlverhalten nicht von der Leistung der Politiker abhängig machen, sondern immer nur Die wählen, die sie immer gewählt haben, wird sich daran wenig ändern.
    Für viele Bürger ist doch das Maximum an denkbarem Protest nicht zur Wahl zu gehen. Diese „sicheren“ Stimmen ermöglichen den Aufbau solcher Strukturen erst. Erst wenn Parteien wirklich in Abhängigkeit von ihrer Leistung gewählt werden kann es zu wechselnden Regierungen kommen. Und nur wenn die Gefahr des Machtverlusts besteht sind Parteien gezwungen gute, an den Interessen der Bürger orientierte Arbeit zu leisten.
    Glaubt irgendwer, die CDU in Oberkirch könnte in absehbarer Zeit in die Opposition gezwungen werden? Ich nicht. Vielleicht haben Sie, EF, doch recht.

  3. 3 Trudi
    11. März 2009 um 10:46

    Es ist schon eine spannende Frage warum ausgerechnet bei Kommunalwahlen keine finanzielle Unterstützung bezahlt wird? Besonders da Parteien sich doch sonst völlig hemmungslos Geld aus der Staatskasse zuschanzen und wenn das immer noch nicht reichen sollte auch kriminell werden. Einige Beispiele: Kohl der immer noch sein Bestochenenehrenwort über die Verfassung stellt, Koch der zusammen mit Ex-Innenminister Kanter jüdische Vermächtnisse erfand, Graf Lambsdorf der verurteilte Steuerhinterzieher und immer noch Ehrenvorsitzende der FDP,……

    Es ist doch sicher kein Zufall, dass ausgerechnet auf der kommunalen Ebene die üblichen Netzwerke und Durchstechereien der etablierten Parteien nicht so reibungslos funktionieren. Hier gibt es zu viele unabhängige Persönlichkeiten die als Kandidaten oder Gremienmitglieder involviert sind. Nichts ist aber gefährlicher für solche System als unabhängig Köpfe, die sich nicht kontrollieren lassen.

    Glaubt denn wirklich auch nur ein Mensch, dass die Gelder aus dem Europawahlkampf nicht auch in den Kommunalwahlkampf umgeleitet werden? Glaubt nur ein Mensch, dass die hauptberuflichen Mitarbeiter der Parteien, die von den Steuergeldern aller Bürger bezahlt werden, sich nicht auch massiv in den Kommunalwahlkampf einmischen?

    Dieses ganze System des Filzes bereits auf der untersten Ebene unseres politischen Systems könnte gar nicht existieren wenn man unabhängigen Konkurrenten auch nur annähernd faire Bedingungen bieten würde. Schon heute sind ja die Unabhängigen Listen in Baden-Württemberg in den Kommunen erfolgreicher als die CDU. In Bayern haben die Freien Wähler der übermächtigen CSU wertvolle Stimmen abgenommen. Das alles geschieht bei extrem ungleichen Ausgangsbedingungen. Mit gleichen Mitteln würden die etablierten Parteien auf kommunaler Ebene nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Damit wäre eine wichtige Basis zerstört, zahllose Pöstchen könnten nicht mehr vergeben werden. Das wäre ein Dammbruch.

    So gesehen ist die Frage nach dem Warum eigentlich ganz einfach zu beantworten: Wer die Macht hat wird alles tun um sie nicht zu teilen. Verfassungsgerichtsurteile sind da bestenfalls ein lästiges Hindernis, lassen sich aber auch umgehen.

  4. 4 Outsider
    11. März 2009 um 10:28

    Hallo EF,

    danke für die Finanzierungs-Info – man lernt gottseidank nie aus.
    Ich habe bei alldem das Gefühl, dass unsere Volksvertreter allmählich überfordert sind – und das ist nicht als Kritik an ihnen gedacht, sondern eine wertfreie Vermutung.
    Auch die Kommunalpolitik wird immer komplizierter, früher einfache Abläufe nehmen an Komplexizität enorm zu. Der Gemeindehaushalt war früher ein handliches Heftchen, jetzt gleicht er einem Band der Brockhaus-Enzyklopädie (nur ohne Goldschnitt). Da stimme ich völlig mit Ihnen überein, dass es eine schier unlösbare Aufgabe ist, solche Dinge in der Freizeit komplett abzuarbeiten.
    Natürlich ist da Arbeitsteilung nützlich, und die Mehrheitsfraktion hat selbstverständlich numerisch ein größeres Potenzial. Qualitativ würde ich das allerdings nicht unbedingt behaupten…
    Schön und wichtig wäre es letztlich, wenn die Verwaltung konsequent qualitativ höherwertige Vorlagen lieferte als in einigen Fällen der jüngeren Zeit. Das würde es den Freizeit-Politikern – und auch das ist nicht abwertend, sondern anerkennend gemeint – erheblich erleichtern, ihre Arbeit auf ein solides Fundament zu stellen.
    Und nochmal ganz kurz zur Kommunalwahl: Ich empfehle nicht, komplette Listen zu wählen, sondern Personen; und ansonsten Stimmen einfach ungenutzt zu lassen, bevor man sie jemandem zuteilt, von dem man nicht hundertprozentig überzeugt ist, nur weil sie noch übrig sind.

  5. 5 EF
    10. März 2009 um 22:53

    Hallo Outsider,

    Zur Kommunalpolitikfinanzierung:
    Nach einem Verfassungsstreit stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass Parteien Gelder aus der Parteienfinanzierung auch für Ihre Arbeit auf kommunaler Ebene einsetzen und insoweit ist das eine Ungleichbehandlung zu den Wählergemeinschaften. Das Verfassungsgericht forderte in diesem Urteil von 1992 den Bundesgesetzgeber auf, diese Ungleichbehandlung zu ändern. Das Gericht hat offen gelassen wie das geschehen soll. Es ist bis heute von den jeweils regierenden Parteien nichts geschehen. Warum wohl?

    Zur Parteiarbeit:
    Sicher können die “Kleinen” genauso Anträge einbringen wie die “Großen”.
    Wahrscheinlich sind die “Kleinen” mehr am Reagieren wie am Agieren.
    Schlimmer sind sicher Vorlagen von der Verwaltung, die durchgearbeitet werden müssen, um Entscheidungen zu treffen die in unserem Gemeinwohl sind.
    Ich hätte „so wenigen Schultern“ und „Freizeit“ unterstreichen sollen. Für eine gute Arbeit braucht man genügend Leute und genügend Zeit. Ansonsten ist qualitativ hochwertige Arbeit schwer möglich. Und dabei hilft ein Haushaltsseminar nur bedingt.

    Gruß

    EF

  6. 6 Outsider
    10. März 2009 um 20:50

    Lieber Gastkommentator,
    dann müssen wir ja eigentlich froh sein, dass wir dieses antiquierte Wahlsystem haben, sonst gäbe es ja gar keine Opposition. Wobei das Problem nicht die Ausgleichsmandate an sich, sondern die garantierten Plätze für die Ortschaften sind.
    Zur Sache Kommunal-/Europawahltermin muss ich sagen: Dann müsste die SPD finanziell ja genauso auf Rosen gebettet sein, denn die Organisation im Rücken der Oberkircher „Roten“ ist ja auch nicht ganz klein.
    Es ist – zugegebenermaßen allerdings nur nach meinem Wissensstand – nicht richtig, dass die Wählervereinigungen für den Kommmunalwahlkampf Geld erhalten müssten. Die gälte nur dann, wenn sie sich auf Landes- oder Bundesebene in den Wahlkampf stürtzen. Für die Kommunalwahl sind die Ortsverbände zuständig, auch finanziell. Was sie von der „Mutter“ dafür bekommen, liegt in deren Ermessen. Hinzukommt, dass diese Gruppierungen ja sehr bewusst auf die Deklarierung als Partei verzichten.
    Die „Kleinen“ müssen im Übrigens keineswegs auf die Gemeinderatsvorlagen der Mehrheit, sondern auf die der Verwaltung reagieren. Die „Kleinen“ können genauso Anträge einbringen wie die „Großen“ (zugegeben:Die Wahrscheinlichkeit, dass sie angenommen werden, ist gering).
    Die neuen Gemeinderatsmitglieder erhalten zudem die Gelegenheit, sich auf Haushaltsseminaren fit in dieser Materie zu machen.
    Ich denke nicht, dass man eine Listenwahl vornehmen sollte, sondern nach wie vor eine Personenwahl. Das Entscheidende wird sowieso etwas ganz anderes sein: wie viele Oberkircher den Allerwertesten hochbekommen und überhaupt ihre Stimmen abgeben.


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